Was macht unser Bewusstsein, wenn es darum geht, aus Erfindungen Märkte zu machen?
Oder: Was wir von der Natur lernen können.

Es war einmal eine wunderschöne alte Rotbuche mit kräftigem Stamm, wunderbar langen Zweigen und kräftigen Ästen. Eines Sommers fand die Buche, dass ihr Blätterkleid besonders schön geraten war, und sie verliebte sich in ihre Herrlichkeit. Ob die Sonne die Rot- und Grün-Töne besonders hervor hob oder Regentropfen sie glänzen ließen:

Die Buche bekam Bauchgrimmen, wenn sie daran dachte, dass bald der Herbst – und damit das

Ende ihrer Herrlichkeit – kommt!

Da beschloss sie, die Blätter zu behalten und sich gegen alle Anstürme zu wehren. Das gelang ihr eine Zeit lang, unter Aufbietung aller Reserven. Doch als der erste Schnee fiel, ging der Buche der Saft aus. Und als die großen Winterstürme ein setzten, fielen nicht nur die Blätter, sondern es krachten auch die kräftigen Äste und Zweige zu Boden. Ein Blitz im Frühjahr tat das Übrige: Völlig entkräftet und ohne Saft war die Buche, ihr vertrocknetes Holz fiel dem Feuer zum Opfer. Übrig blieb ein Aschenhaufen. Und alle, die die Buche kannten, schüttelten traurig den Kopf…

Nun, haben Sie schon mal gesehen, dass Bäume sich im Frühjahr sträuben, neue Blätter zu bekommen? Haben Sie ein Kind erlebt, dass sich wie der Oskar aus der Grass’schen Blechtrommel bewusst geweigert hat zu wachsen und erwachsen zu werden? Können Sie sich vorstellen, dass aus Raupen keine Schmetterlinge werden?

Auch in der Betriebswirtschaft spricht man vom „Lebenszyklus“, dem Ablauf von der Idee über die Realisation zum Markterfolg bis hin zum Verkauf des Auslaufmodells. Für die viele Branchen, Produkte und Dienstleistungen sind die Erfahrungswerte ja bestens bekannt. Alle wissen, dass Produkte und Dienstleistungen ständig durch neue ersetzt werden müssen, damit eine Firma – wie die Rotbuche – immer wieder frische Blätter treibt. Die Zutaten und Rezepturen für den Aufbau neuer Lebenszyklen sind bekannt, und von der wichtigsten Zutat – Ideen und Patente – haben wir in unserem Land soviel, dass wir sogar einen großen Teil davon an Interessenten anderer Nationen abgeben!

Doch statt zu innovieren, folgt man großflächig einem anderen Trend: Kosten minimieren, rationalisieren, Mitarbeiter abbauen. Was aber nichts anderes heißt als: die Menschen verlieren ihre

Arbeit – und damit die Möglichkeit, Produkte und Dienstleistungen zu erwerben. Abbau und Verlust erzeugen Angst. Die sitzt tief. Vor allem: Sie raubt Energie! Was hindert uns denn daran, Ideen und Erfindungen, die im „Land der Dichter und Denker“ noch immer in Fülle produziert werden, in die Praxis umzusetzen?

Die aktuelle Lage ist hinlänglich bekannt. Doch alle rufen nach dem Staat, den Unternehmern und Interessenvertretungen: Die sollen endlich was tun! Ich finde es erstaunlich, wie weit wir unsere eigene Existenz diesen anonymen Einrichtungen überlassen, wo und wie wir unsere kreative Kraft einsetzen, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Ganz anders sieht’s am Biertisch aus: Da wissen wir alle, wie man es machen müsste, da entscheiden wir, welcher Fußballverein der beste ist, was jetzt in oder out ist, und allesamt sind wir engagierte Fachmänner und Fachfrauen.

Die Lage des Innovationsmarktes ist ein exaktes Abbild dieses Verhaltens. Da wird uns der Spiegel vorgehalten. Wie im Kleinen so im Großen: Jeder, der sich dafür entscheidet, sich treiben zu lassen und nicht selbst aktiv zu werden, trägt in genau dieser Menge dazu bei. Zuerst geht es einem doch noch gut … dann will man das genießen, sichert das Erworbene nach allen Seiten ab. Kommt dann der schmerzhafte Einbruch, etwa der Verlust des Arbeitsplatzes oder der Abbau von Privilegien, dann hat man den Mut verloren, bringt die Kraft nicht mehr auf, ist mit dem Alltag zu sehr beschäftigt, um sich auf das zu besinnen, was man kann. Befragt man Menschen, was sie in ihrem Unternehmen alles tun könnten, wenn man sie nur ließe, dann sprudeln die Ideen nur so! Alleine mit einem kleinen Teil dieser Ideen könnten Unternehmen sich immer wieder innovieren, könnten aus sich selbst heraus neue Lebenszyklen aufbauen. Das aber heißt: Erfolgreiche Innovation muss auch „von innen“ kommen. Es nützt wenig, wenn wir nur im Außen agieren … wir alle müssen auch uns selbst anschauen. Wir können z.B. eingefahrene Glaubenssätze – etwa „Das haben wir schon immer so gemacht!“ – einfach rauswerfen.

In diesem Sinne wünsche ich mir für die Erneuerung unseres Bewusstseins – und damit unserer Welt – das Vertrauen der Bäume: Nämlich, dass es völlig richtig ist, altes Laub getrost her zu geben und ohne besondere Aufforderung wieder neue Triebe in die Welt zu schieben. Ein Baum kümmert sich nicht darum, ob es noch mal schneit, ob ein Sturm ihn umknickt, ob sonstige Widrigkeiten die neuen Triebe gefährden könnten. Unbeirrt erneuert er sich jedes Jahr und gibt allen reichlich von seinen Früchten, im Fall der Buchen: die Bucheckern, welche ungezählten Eichhörnchen über den Winter helfen.

Also: Raus aus den alten Klamotten, rein in die Jetztzeit!

Irene Schegk

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